Going Postal, Clacks, GNU und Gulasch
Technikbegeisterte gibt es zuhauf, und was den "Hacker" vom Rest unterscheidet, ist der gut platzierte Dachschaden. Er lässt sie um die Ecke denken, die Umwelt mit den Augen rollen und verleitet sie zu Aussagen wie: «Ich weiss, dass ich das Gleiche mit einem Schraubenzieher machen kann, aber so funktioniert es auf der Basis von Frischkäse! Musste dafür zwar lernen Matrizen zu multiplizieren, Gulasch kochen, die Katze lackieren und die Performance des Python-Parsers optimieren, aber... FRISCHKÄSE!»
Diese Begeisterung bringt Terry Pratchett in Going Postal hervorragend rüber. Der im Jahr 2004 veröffentlichte Schmöker hat sich zu einem der beliebtesten Bücher der Informatiker – oder zumindest von denen, welche gelegentlich ein solches in die Hand nehmen – gemausert.
Es geht darin weder um furztrockene Codebeispiele noch um irgendwelche esoterischen Ausschweifungen über irgendwelche Paradigmen, sondern um Intrigen, das Postwesen, den Fortschritt und ein ominöses Netz von Türmen, die Informationen mit "Lichtgeschwindigkeit" über weite Strecken übertragen. Und Oha!
- Wer hier schon eine Parodie auf das Internet wittert: Man ist entweder intelligent, hält sich dafür oder kann lesen. In mindestens einem der drei genannten Fälle gibt's Kudos!
- An alle anderen: Ihr seid ehrlich, intelligent und/oder könnt auch lesen. Lest das Buch trotzdem. Es ist eine spannende Einführung in die Netzwerktechnologie, ohne dass einem das Gehirn gewaltsam aus den Ohren gequetscht wird!
In Going Postal wird eine der Facetten der Hackerkultur in der Literatur, wenn nicht sogar in der gesamten Medienwelt, auf die denkbar schönste Weise beschrieben. Während in anderen Medien die Hacker einfach die Kapuzenpullis tragenden Pickelgesichter sind, die wie besessen auf die Tastatur einhämmern, um dem Bösewicht – wenn sie es nicht gerade selbst sind – das Handwerk zu legen, oder aus der Ferne die Klospülung im Atomkraftwerk betätigen, werden sie hier so dargestellt, wie man sie oft in der freien Wildbahn antrifft: technikbegeisterte Menschen mit dem erwähnten Dachschaden am rechten Fleck.
Die Betreiber der Clacks (die Türme, die im Roman die Informationen über weite Strecken verbreiten) werden als leidenschaftliche Enthusiasten dargestellt, welche die Infrastruktur mit ingeniöser Hingabe am laufen halten. Sie kennen das System in und auswendig und nutzen es ausserhalb der angedachten Funktionsweise. Als einer der Betreiber stirbt, werden die Befehle G (sende die Nachricht weiter), N () und U () verwendet um ihm zu gedenken. Die Nachricht welche in das Netzwerk Eingespeist wird: "John Dearheart", der Name des Verstorbenen.
A man is not dead while his name is still spoken.
Going Postal, Chapter 4 prologue
Dies beschreibt eindrücklich das Herzblut, welches die Systeme am laufen hält. Nicht, dass wir aus dem Netz ein Denkmal an die Verstorbenen machen wollen aber dass dies ein Ort ist, in dem wir das __[können]__. Nicht, dass die Technologie für das gemacht wurde wofür sie entworfen wurde aber dass sie dafür genutzt werden __kann__. Um Ecken denken über den Tellerrand schauen. Dies bedeutet oft, dass wir in einer dunklen Ecke versuchen die eingebrockte Suppe am Rande auszulöffeln. Zugegebenermassen nicht praktikabel aber zumindest spannend.
Dies ist auch ein Grund warum Entwickler immer am Rande des Wahnsinns einen Seiltanz veranstaltet um aus dem «Cool, warum nicht» noch ein «Da hat's aber ordentlich Geil drauf!» zu machen. Viele der Technologien welche wir im Netz – bzw. in der visuellen Komponente davon – nutzen, enthalten viel "cool" aber nur ansatzweise "geil" und sind nicht immer dafür gemacht, wofür wir sie einsetzen aber genau hier braucht es die geistige Umnachtung um die Frischkäselösung zu finden, wenn man Lust auf ein gutes Gulasch hat.
### TLDR;
- Pratchet ist Geil!
- Informatiker haben einen an der Waffel
- Nichts geht über ein gutes Gulasch
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